Auf der Patreon-Seite von Yürgen Oster gibt es zur Zeit einen Zhan-Zhuang-Kurs bzw. eine Challenge: Zhan Zhuang von 5 Minuten auf 60 Minuten in 30 Tagen. Jeden Tag etwas länger stehen.
Die wirklichkeit hat nichts großartiges an sich; dinge und worte sind großartig, wenn sie dem selbst einzelner menschen genehm sind. Wer seine werte in sich hat, streitet nicht darum; wer streitet, sucht werte außerhalb. Wer im geschehen lebt, braucht nicht gelehrt zu sein; wissen anzuhäufen, hat nichts mit TAO zu tun.
TAO sammelt nichts, um es festzuhalten; TAO gibt sich dem alltag hin und nimmt sich den alltag. Die ordnung der natur gleicht aus, ohne zu kämpfen. Wir menschen sollten darum wirken, ohne verbessern zu wollen.
Große Worte sind nicht von Bedeutung; das Bedeutungsvolle ist nicht großspurig. Diejenigen, die sich verteidigen, verstehen nicht; diejenigen, die verstehen, haben nichts zu verteidigen. Indem der Weise sich von Überzeugungen leert, bewegt er sich im Einklang mit dem Wesen der Dinge. Statt sich mit Komplikationen zu füllen, leert der Weise sich von ihnen; statt sich zu erinnern, vergißt er; statt zu finden, verliert er. Es gibt eine Art zu füllen, die leert. Alle Teile von allem entsprechen auf der Waagschale Nichts. Der Weise, der lehrt, gibt nur scheinbar; der Lernende, der versteht, füllt sich nur scheinbar. So stellen Menschen, die sich durch Lernen füllen, schließlich fest, daß sie leer sind. Wenn sie leer sind, finden sie sich in der Fülle und Einfachheit des Gewöhnlichen wieder. Obgleich das Tao auf dem schmalen Grat des Gewöhnlichen zu finden ist, ist es weit und sicher; obgleich es weich und nachgiebig ist, ist es auch fest und verläßlich. Das Gewöhnliche ist es, das außergewöhnlich ist. Um sich mit dem Tao zu bewegen, braucht man nichts besonderes zu tun. Um das Tao zu verstehen, braucht man nichts besonderes zu denken.
Ich träume von kleinen staaten.. von vielen sprachen und dialekten.. Die waffen werden nicht genutzt, auch wenn sie zehnfache, hundertfache wirkung erzielten.. Die menschen leben gern und aus ihrer mitte heraus.. Sie wissen, daß es kein ziel gibt, für das sie ihre schiffe und wagen benutzen müßten, und darum bleiben sie gern im land.. Darum haben sie auch keinen grund, ihre panzer und waffen einzusetzen.. Sie schreiben briefe und reden miteinander.. Das essen schmeckt ihnen, ihre kleider gefallen ihnen, sie wohnen friedlich nebeneinander und gehen fröhlich, zärtlich und sanft miteinander um.. und selbst wenn sie von jenseits der grenze deutlich den ruf der hähne, das bellen der hunde hören, bleiben sie doch, wo sie sind, leben, altern und sterben und werden geboren..
Selbst Menschen sind in ursprünglicher Einfachheit verwurzelt. Ehre jene Einfachheit, und alle profitieren. Vergiß sie, und die Menschen gehen in die Irre. Der Weise läßt sich von primärer Einfachheit leiten. Jeder Einzelne wird als eigenständiger Teil der Ganzheit respektiert und geehrt. Jeder einzelne Mensch ist des Taos eines Denken und des Taos eines Wirken. Wenn Menschen durch den Weisen beeinflußt werden, bleiben sie in ihren Unterschieden verwurzelt, und sie sagen, daß sie sich selbst erfüllen. Wenn sie durch den Weisen verändert werden, kehren sie zu ihrer ursprünglichen Einfachheit zurück und sagen, daß sie sich selbst finden. Die ursprüngliche Einfachheit, die tief in den Menschen verborgen liegt, ist kompliziert genug. Wenn Menschen komplizierter werden, sind sie in geringerem Maße in der Lage, sich selbst zu finden. Je weniger sie sich selbst zu finden vermögen, um so weniger Macht haben sie. Je weniger Macht sie haben, um so bedrohter fühlen sie sich und umso mehr kämpfen sie mit anderen. Von der ursprünglichen Einfachheit abzuweichen ist der Anfang von Schwierigkeiten.
Selbst wenn ein mensch wut und haß in sich überwunden hat, bleibt ein rest ärger und vorurteil im herzen. Wie kann jemand da überhaupt ein gutes verhältnis zu den mitmenschen behalten, im laufe der jahre?
Sinnvoll ist es, wenn wir unsere zeit leben und von anfang an keine erwartungen in andere menschen setzen. Nur wer den rechten weg verloren hat, wird als maßstab seiner urteile sein eigenes selbst nehmen. Er wird leiden und haß und wut werden in ihm wachsen, wenn andere menschen seinen maßstab nicht teilen, weil sie mit seinem selbst nichts zu tun haben.
Das geschehen der natur bedeutet ausgleich; – kein anderes urteil entspricht der wirklichkeit.
Erhebe dich über Unterschiede, und die Unterschiede verfestigen sich. Erhebe dich über Niedrigkeit, und sinke unter Unnahbarkeit. Gleiche Exzesse aus. Provoziere in Konflikten nicht die Beschuldigten. Das Tao is unparteiisch. Deshalb nimmt der Weise nichts persönlich. Sei in allen Dingen aufmerksam, aber auch unparteiisch. Eine parteiische Haltung hält das Gehen davon ab, zu weit zu gehen, es hält das Nicht-Genug davon ab, zuviel zu werden, das Tun davon, zum Ent-Tun und das Geben davon, zum Nehmen zu werden. Diejenigen, die sich in Szene setzen, werden geprüft und angenommen werden; die Ersten werden die Letzten sein. Kraft erzeugt Widerstand. Auf zuviel folgt zu wenig. Der Siegreiche wird besiegt werden. Tue nur, was erforderlich ist, und lasse im übrigen die Dinge sich selbst regeln. Kontrolliere, ohne zu kontrollieren. Tiefste Tugend bleibt unbemerkt, weil sie mit dem Tao im Einklang ist. Am nützlichsten vermagst du zu sein, wenn du nichts tust und unbemerkt bleibst. Versuche zu kontrollieren, und Schwierigkeiten werden entstehen. Etwas erzwingen zu wollen führt letztlich zum Mißerfolg. Konfrontation schafft nur Gewinner und Verlierer. Mache Zugeständnisse, und das Zugestehen wird kein Ende haben; kämpfe, und das Kämpfen wird nicht enden. Deshalb hält sich der Weise an das Tao und dient der inneren Tugend der Dinge. Die besten Meister sind Diener.
Auf der erde ist nichts so weich und nachgiebig wie wasser. Deshalb bleibt es im angriff auf hartes gestein und feste mauern unbezwingbar: weil es sich allem anpaßt, weil nichts es brechen kann. Daß das nachgiebige das starre besiegt, das harte dem weichen unterliegt, – jeder weiß es, doch keiner handelt danach!
Ebenso: Wer schlechtes erträgt, wird auf den wellen der gemeinschaft getragen. Wer sein ich zum mittel macht, um aus dem eigenen wesen heraus dem wesen des alltags zu entsprechen, dem wird das ich der andern nichts anhaben können.
Die Sanftheit und Nachgiebigkeit des Wassers überwältigt die Härte und Stärke des Steins. Wandel überwindet Unveränderlichkeit. Formloses Wasser nimmt die Form von allem an. Unveränderliches Denken kann den Wandel aller Dinge nicht verstehen; kämpfendes Denken begreift die Nachgiebigkeit aller Dinge nicht. Der Weise weiß weniger als jeder andere und ist deshalb am besten in der Lage, alle zu lehren. Nicht-Wissen ist somit am besten geeignet, alles zu lehren. Verwirrt durch alles, ist der Weise allem am nächsten; unfähig, an einem Gedanken festzuhalten, ist der Weise allen Gedanken am nächsten. Zuerst erscheint Richtig als richtig. Nach sorgsamem Nachdenken erscheint Richtig als falsch. Schließlich erscheint alles sowohl als richtig als auch als falsch, gut und schlecht, wahr und falsch, Ja und Nein. In der vollen Mitte lehrt der Weise, was gelehrt werden muß, nicht was gelehrt werden sollte.
Das gleichgewicht der natur wird deutlich beim bogenschießen: Die wölbung streckt sich, die höhlung füllt sich; – wo zuviel ist, wird genommen, wo zu wenig ist, wird hinzugefügt. TAO, das heißt: Abstriche machen, wo überfluß ist; auffüllen, wo mangel herscht. Die menschen verhalten sich meist entgegengesetzt: Sie nehmen von denen, die wenig haben und geben es jenen, die schon zuviel haben. Wenn wir unseren überfluß für die gemeinschaft verwenden, sind wir auf dem rechten weg.
Wenn ein Bogen gespannt wird, wird die obere Spitze gesenkt und die untere erhoben. Das Wesen des Tao ist es, das Niedere zu erheben und das Hohe zu senken; wegzunehmen, wenn etwas zuviel ist, und zu geben, wenn irgendwo zu wenig ist. Ein törichter Lehrer erniedrigt die Unwissenden, bis sie verstummen und sich geschlagen geben, und er rühmt die Wissenden, bis sie eingebildet und selbstgefällig sind. Wenn der Weise lehrt, sind die, die wenig wissen, stolz auf das, was sie wissen, und diejenigen, die viel wissen, werden demütig, weil sie erkennen, was sie nicht wissen. Die Unwissenden wachsen durch das, was sie haben, und die Wissenden wachsen durch das, was sie nicht haben. So nährt der Weise, indem er das Leere füllt und das Volle leert, indem er den Unsicheren Sicherheit gibt und den Sicheren Unsicherheit. Aufgrund dessen, was die Unwissenden wissen, respektieren sie die Wissenden; aufgrund dessen, was die Wissenden nicht wissen, respektieren sie die Unwissenden. Ohne Stolz und Demut arbeitet der Weise unerkannt und unbemerkt. Menschen wachsen und erfüllen sich selbst. Sie sagen, daß die Dinge sich gut entwickeln, und sie merken nicht einmal, daß sie sich im Einklang mit dem Tao bewegen.
Weich und zart wird der mensch geboren; hart und starr stirbt er. Klein und nachgiebig kommt ein junger trieb aus der erde; groß und unnachgiebig stirbt der alte baum ab. Grundsätzlich gilt: Aus kleinem und nachgiebigem kann vieles wachsen. Großartiges, unnachgiebiges ist (v)erwachsen; da wächst nichts mehr.
Menschen werden weich und geschmeidig geboren, doch wenn sie alt sind, werden sie hart und steif. Eine Pflanze voller Lebenskraft ist flexibel und nachgiebig, doch eine sterbende ist verdorrt und brüchig. Die Jungen und Vitalen lernen, weil sie stets nachgiebig sind, immer auf den Anfang ausgerichtet. Große alte Gelehrte, unter der Last ihres Wissens gebeugt, sind alte und vertrocknete Bäume, bereit für die Axt. Das Unbeugsame bricht schließlich; das Schwere und Verhärtete stirbt ab. Mache das Schwere leichter und das Harte weich; mache das Steife geschmeidig. Kehre zum Staunen des Anfangs zurück.