Tao Forum

Des Altertums vortrefflich wirkende Meister:
subtil, geheimnisvoll, so tief durchdringend,
unmöglich zu durchschauen.
Gerade weil undurchschaubar,
so versuche ich, ihre Erscheinung zu skizzieren.

Behutsam, wie im Winter den Fluss durchwaten,
vorsichtig, als fürchtete man allseits Nachbarn;
zurückhaltend, wie Gäste,
nachgiebig, wie Eis, das gleich zerschmilzt;
ursprünglich, wie unbearbeitetes Naturholz,
weit, wie Täler, und
undurchschaubar wie trübe Gewässer.

Wer vermag Trübes zu klären mittels
Behutsamkeit der Stille,
wer vermag Ruhe zu erzeugen mittels
der Behutsamkeit fortdauernder Bewegung?*
Bewahre solcherlei,
nicht zu begehren nach Überfülle:
denn nur ohne Überfluss, so
gelingt die Abschirmung endlos neuer Mühen.

Untersuche das Offensichtliche. Suche das Subtile. Dringe in die Tiefen von allem vor. Sei jenes Geheimnis, das Selbst genannt wird.
Wenn nicht einmal die Tiefen des Selbst verstanden werden können, wie soll dann irgend etwas anderes verstanden werden? Die größten Einsichten beschreiben, vermögen jedoch nicht zu erklären.
Was ist die rechte Art, in diesem unerklärten Alles zu weilen? Wachsam, wie in tosendem Wasser. Wach wie in Gefahr. Höflich wie ein Gast. Nachgiebig wie schmelzendes Eis. Ursprünglich wie unbehauener Stein. Empfänglich wie das Tal.
Warte in innerer Stille, bis die Trübungen des Geistes zu Boden gesunken sind. Wechsle friedvoll von der Ruhe zur Bewegung. Suche ruhig, ohne zu finden. Warte, bis der rechte Zeitpunkt gekommen ist. Sei zufrieden leer.
Sei voll, und alles wird ausgeschlossen. Sei sicher, und alles kommt zum Stillstand.
Sei die verborgene Quelle, verborgen sogar vor dem Selbst.
Nimm dir Zeit, die du für Alles reservierst. Reife zur gegebenen Zeit. Sei ein strömender Fluß, die eilende und gemächliche Bewegung von allem.

Früher gab es schamanen, hexen & hexer,
die konnten erschließen, erkennen, erfühlen.
Diese innere kraft blieb ihnen unbewußt;
sie bestand in der vertrautheit mit dem wesen der wirklichkeit.
Niemand hat die hexen gekannt
und keiner kann von ihnen erzählen,
denn sie hatten nichts zu sagen;
die wirklichkeit läßt sich nicht erklären.
Ich stelle mir vor, sie waren so:
Umsichtig – wie wenn wir im winter über einen strom setzen..
Wachsam – wie wenn wir feinde um uns spüren..
Zaghaft und ohne vertraulichkeit – wie als gast geladen..
Sacht nachgiebig – wie der schnee, bevor er schmilzt..
Unverformt – wie ein holzklotz..
Offen und weit – wie ein tal..
Vielwegig und undurchdringbar – wie strudelnde wasserläufe.

Wer hält heutzutage das sterben der lebendigen zeit
in den menschen auf, wer könnte ihnen die wirklichkeit
ihres alltags zeigen durch eigene klarheit, oder sonstwie?
Die alten damals lebten aus TAO;
zu jener zeit waren sie ordner der gemeinschaft.
Dann begannen sie, sich als herren ihres selbst zu fühlen und
ihre kraft für ihre interessen als einzelne zu mißbrauchen,
und ihre mängel sahen sie als vollkommenheit..
So ging es weiter.

Der wahrhaftige Mensch im Altertum wies die Schwachen nicht ab, brüstete sich nicht mit seinen Taten und schmiedete keine Aufstiegspläne. Daher: Unterlief ihm ein Fehler, bereute er ihn nicht; hatte er Erfolg, bildete er sich darauf nichts ein. Daher: Stieg er empor, schauderte ihm nicht; ging er durch Wasser, wurde er nicht naß; ging er durch Feuer, wurde ihm nicht heiß. Wer sich darin versteht, kann sich bei seinem Aufstieg auf diese Weise auf das Dao stützen. Der wahrhaftige Mensch des Altertums schlief, ohne zu träumen; er war wach, ohne sich zu sorgen; er aß, ohne zu süßen; sein Atem war tief, sehr tief. Der wahrhaftige Mensch atmete [sogar] mit der Ferse, der gewöhnliche Mensch atmet [nur] mit dem Hals. War er zum Gehorsam gezwungen, spie er seine Worte aus, als würde er erbrechen. Die alten Begierden steckten tief [in ihm], seine Beschäftigung mit dem Himmlischen war flach. Der wahrhaftige Mensch des Altertums wußte sich weder des Lebens zu erfreuen noch vor dem Tod zu fürchten, er ging [ins Leben] hinaus, ohne sich zu ergötzen, und ging [in den Tod] hinein, ohne sich zu widersetzen; unbeschwert ging er davon, unbeschwert kehrte er zurück – das war alles. Er vergaß seinen Ursprung nicht und fragte nicht, wie er enden würde; was er empfing, erfreute ihn; was er vergaß, gab er wieder zurück. Das heißt: benutze den Herz-Geist nicht, um dem Dao zu dienen, benutze die Menschen nicht, um der Natur nachzuhelfen. Wer das [kann], wird als wahrhaftiger Mensch bezeichnet.

Auf diese Weise war sein Herz-Geist frei, sein Gesichtsausdruck ruhig, seine Stirn offen; er war kühl wie der Herbst, mild wie der Frühling, seine Stimmungen entsprachen den vier Jahreszeiten, er wurde den Lebewesen gerecht, und niemand kannte seine Grenzen.