Vor ein paar Jahren habe ich eine Adaption des Tao Te King auf Amazon veröffentlicht. Es handelt sich hierbei um eine börsenorientierte Interpretation des taoistischen Klassikers von Laotse.
Thema von KM2022 im Forum Andere chinesische Phi...
FU: Die Wiederkehr (des Guten) und das Geschäftsleben
Das Urzeichen der Wiederkehr bildet im I Ging eines der neun Hexagramme der Charakterbildung. Es steht auch für den ewigen Kreislauf der Natur.
Das Bild besteht aus zwei Trigrammen: Unten der Donner, der Bewegung symbolisiert, und oben die Erde. Genau das spiegelt die Natur wider, wenn im Frühling das Leben zurückkehrt. Zuerst regt sich die Pflanzenwelt unter der Erde, bevor sie nach den kalten Wintermonaten erneut in die sichtbare Welt tritt. Ständige Bewegung ist eines der zentralen Prinzipien im Taoismus.
Was lehrt uns demnach das chinesische Buch der Wandlungen für unser Geschäftsleben? Es fordert uns auf, uns stets zu erneuern, aus alten Fehlern zu lernen und nach jeder Niederlage gestärkt zurückzukehren. Solange wir im Kreislauf bleiben und unsere Flexibilität bewahren, kann uns nichts und niemand besiegen, denn wir stehen immer wieder auf.
Ursprünglich habe ich diesen Beitrag auf LinkedIn gepostet.
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Mir sind zwei Versuche bekannt, bei denen Autoren versuchen, das I Ging christlich zu interpretieren.
Einmal ist es das Buch "Das I Ging Orakel Ihres Unterbewusstseins" von Dr. Joseph Murphy. Obschon ich die Bücher dieses Autors schätze, ist dieses Werk aus meiner Sicht die schlechteste I Ging Interpretation, die ich jemals gelesen habe. Auf Teufel komm raus ersetzt Murphy die ursprünglichen Texte des Buches der Wandlungen durch Bibelzitate. Am Ende kommt dabei stets der gleiche Ratschlag raus: Bete und vertraue auf Gott, dann kommt alles gut. Hierdurch verliert aus meiner Sicht das I Ging seinen eigentlichen Zweck, ein durchaus praktischer Ratgeber zu sein, der auch Situationen aufzeigt, wo es eben nicht gut kommt und man nur das bestmögliche daraus machen kann.
Das andere Buch ist "Wisdom's Way: The Christian I Ching" von Roger Sessions. Meiner Meinung nach um Welten besser als die Interpretation von Murphy. Natürlich werden den Hexagrammen und ihren sechs Strichen auch hier Bibelzitate zugeordnet, aber das in einer viel realistischeren und nützlicheren Form als bei Dr. Joseph Murphy. Bei diesem Buch macht mir allerdings etwas Mühe, dass die Trigramme sehr willkürlich christlichen Begriffen zugeordnet werden. Das das Trigramm Himmel dem Begriff Gott zugeordnet wird, kann ich noch gut nachvollziehen. Aber das Trigramm Feuer Jesus Christus zu zuordnen ist dann schon sehr frei interpretiert. Sessions erklärt dies damit, dass das Bild von Jesus Feuer sei. Nun ja, nach dieser Logik könnte man das Feuer auch Luzifer zuordnen, da dieser auch der Lichtbringer genannt wird. Ausserdem wird zum Beispiel dem Trigramm See der Name "Wunder" gegeben, dem Trigramm Donner der Name "Wort". Diese Zuordnungen scheinen mir ziemlich weit hergeholt, auch wenn die Erklärungen des Autors nicht unlogisch sind.
Natürlich kann ich die Motivation der Autoren verstehen: Sie wollen das I Ging auch konservativen Christen zugänglich machen. Aber ich frage mich grundsätzlich, ob das wirklich sein muss.
Was denkt Ihr darüber?
p.s. Ich finde es schade, dass das Forum nach einem kurzen Aufleben im Frühjahr 2023 wieder eingeschlafen ist. In der letzten Zeit tue ich mich schwer damit, mich überhaupt mit taoistischen Themen auseinanderzusetzen. Ich muss aber auch zugeben, dass auch bei mir das alte Forum von Flussgeist noch nachhallt. Vielleicht ist damals einfach zu viel passiert und wir alle tun uns mit einem Neuanfang schwer. So ist zum Beispiel eine ehemalige Moderatorin aus dem alten Forum mittlerweile sehr erfolgreich als Politikerin. Während ihrer Zeit bei der AfD war sie kurzfristig sogar als mögliche Kanzlerkandidatin im Gespräch. Als ich sie auf Twitter auf dieses neue Taoforum ansprach und sie fragte, ob sie Interesse hätte, hier wieder zu schreiben, war ihre einzige Reaktion darauf, mich auf Twitter zu blockieren ;-) Bei mir kommt hinzu, dass nun mein MBA Studium zu Ende geht und ich bereits gedanklich beim Thema meines nächsten Masters bin. Dies wird voraussichtlich im Bereich Kriminologie und Kriminalprävention sein. Hierzu habe ich jetzt einen True Crime Blog eröffnet, der sich mit Kriminalität in Ungarn befasst. Dies wird in Zukunft sicher auch viel Zeit in Anspruch nehmen. Vielleicht mögt ihr mal vorbeischauen: Hungarian Crime - eine geheimnisvolle Welt
Zitat von Kassandra im Beitrag #12Allerdings kann ich mich da selbst auch nicht ganz von frei machen.
Das geht mir nicht anders. Um mich nicht weiter in irgendwelche überflüssigen Diskussionen verwickeln zu lassen, habe ich mich von den meisten Social Media Plattformen abgemeldet.
Schliesslich heisst es auch im I Ging beim Hexagramm 52, das Stillehalten, der Berg:
Sechs auf fünftem Platz bedeutet: Stillehalten seiner Kinnladen. Die Worte haben Ordnung. Die Reue schwindet.
Richard Wilhelm kommentiert:
Allein, wenn man sich im Reden zurückhält, so bekommen die Worte immer mehr eine feste Gestalt, und dann verschwindet jeder Anlass zur Reue.
Steht das nicht im krassen Gegensatz zum heutigen Verhalten vieler Menschen, die stets das Gefühl haben, nicht nur eine Meinung zu allem und jedem haben zu müssen, sondern diese ihren Mitmenschen - insbesondere auf Social Media - auch noch aufzudrängen?
Baltasar Gracian empfiehlt in seinem Werk, nicht allzu durchschaubar zu sein:
Mit offenen Karten zu spielen ist weder nützlich noch angenehm.
Man bleibe stets geheimnisvoll, um dadurch Ehrfurcht zu erregen, so Gracian.
Behutsames Schweigen ist das Heiligtum der Klugheit.
Und:
Man ahme daher dem göttlichen Walten nach, indem man die Leute in Vermutungen und Unruhe erhält.
Wahrlich, auf mein Leben zurückblickend muss ich feststellen, dass auch für mich vieles einfacher gewesen wäre, hätte ich nicht am Irrglauben festgehalten, Transparenz sei eine Tugend...
Zitat von Kassandra im Beitrag #4Irgendwie fällt mir da der Selbstoptimierungswahn ein, dem so viele verfallen sind. Also, ich finde die moderne Gesellschaft vermittelt einem sowieso schon das Gefühl, dass man sich stetig verbessern muss, in sämtlichen Bereichen.
Interessant ist, dass die Vorwürfe an die moderne Gesellschaft schon zu Zeiten des Dschuang Dsi ähnlich waren wie heute. So heisst es im wahren Buch des südlichen Blütenlandes im Kapitel "Das wahre Ziel":
Was man heute unter Erreichung des Ziels versteht, sind Staatskarossen und Kronen. Staatskarossen und Kronen sind aber nur etwas Äusserliches und haben nichts zu tun mit dem wahren LEBEN. (...) Heutzutage aber verlieren die Leute ihre Freude, wenn das Vorübergehende sie verlässt. Von diesem Gesichtspunkt aus sind sie auch mitten in ihrer Freude immer in Unruhe. Darum heisst es: Die ihr Selbst verlieren an die Aussenwelt, die ihr Wesen preisgeben an die andern: das sind verkehrte Leute.
Zitat von Kassandra im Beitrag #6Ja, das Zitat hätte durchaus auch aus heutiger Zeit sein können. Bei anderen Sachen aus dem Taoismus frage ich mich zeitweilig, ob es noch zeitgemäß ist bzw. heute noch in der Form durchführbar und übertragbar.
Auch wenn mir jetzt nicht ganz klar ist, welche Sachen aus dem Taoismus Du im Speziellen meinst, so macht es für mich Sinn, alte Texte immer so zu lesen, dass sie für mich hier und heute Sinn ergeben. Mir geht es ja weniger um eine akademische Auseinandersetzung mit dem Taoismus, sondern lediglich darum, ob ich etwas aus diesen Schriften für mich persönlich und für meine Frau gewinnen kann. Sei es für unser Startup, unsere Ehe, unsere Gesundheit oder unsere Spiritualität. Was mir nicht zusagt oder mir nicht realistisch erscheint, lasse ich einfach weg.
Zitat von Kassandra im Beitrag #4Irgendwie fällt mir da der Selbstoptimierungswahn ein, dem so viele verfallen sind. Also, ich finde die moderne Gesellschaft vermittelt einem sowieso schon das Gefühl, dass man sich stetig verbessern muss, in sämtlichen Bereichen.
Und sogar das I Ging tut es.
So zum Beispiel im ersten Hexagramm, dem Schöpferischen, welches die einzelnen Entwicklungsstufen des Edlen aufzeigt. Schon im Bild des Zeichens heisst es:
Des Himmels Bewegung ist kraftvoll. So macht der Edle sich stark und unermüdlich.
Ich habe nichts gegen Selbstoptimierung. Man darf nur nicht den Blick für das Wesentliche verlieren und stets wissen, worauf es (für sich selbst) wirklich ankommt.
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Das 42. Hexagramm im I Ging ist die Mehrung.
Im Kommentar zur Entscheidung heisst es:
Die Mehrung: das Obere mindern und das Untere mehren: So freut sich das Volk grenzenlos.
Den Schwerpunkt dieses Beitrags möchte ich allerdings auf die Sechs auf drittem Platz legen.
Der Text lautet hier wie folgt:
a, Man wird bereichert durch unheilvolle Ereignisse. Kein Makel, wenn du wahrhaftig bist und in der Mitte wandelst und dem Fürsten berichtest mit dem Siegel.
b, «Man wird bereichert durch unheilvolle Ereignisse.» Das ist etwas, das einem gewisslich zugehört.
Richard Wilhelm kommentiert diese Linie:
Eine Erklärung gibt den Zusammenhang folgendermassen: Wenn zur Zeit der Mehrung der Himmel Unheil schickt, wie Misswachs und dergleichen, so wird ein mitleidiger Fürst den davon betroffenen Untertanen Erleichterung gewähren durch Steuernachlass und dergleichen und der Beamte, der sie ankündigt, hat zur Bestätigung seiner Autorität so ein Nephritabzeichen.
Diese antizyklische Finanzpolitik kennen wir auch in der modernen Volkswirtschaft. Wir nennen sie die keynesianische Konzeption, benannt nach dem britischen Ökonom J.M. Keynes.
Diese besagt:
«Weil die Selbstheilungskräfte der Marktwirtschaft nicht funktionieren, muss der Staat eine antizyklische Finanzpolitik betreiben, d.h. in Krisenzeiten die Ausgaben erhöhen, die Steuern senken und ein Budgetdefizit in Kauf nehmen; in der Hochkonjunktur muss er die Ausgaben senken, die Steuern erhöhen und einen Budgetüberschuss erzielen. So stabilisiert der Staat durch die Steuerung der Nachfrage die konjunkturelle Lage.» Quelle: Eisenhut & Sturm: Aktuelle Volkswirtschaftslehre, 2020
Dies steht im krassen Gegensatz zum Ansatz des Adam Smith, der die Ansicht vertrat, der Markt reguliert sich von selbst (durch die unsichtbare Hand) und der Staat soll möglichst nicht eingreifen.
Das ist genau das Interessante. An sich ist das Dao ungeteilt (noch vor Yin und Yang) und trotzdem wird es im Tao Te King an mehreren Stellen als weiblich beschrieben. Die hier beschriebene Weiblichkeit ist aber nicht mit Yin gleichzusetzen.
Das von Wu angeführte Zitat findet sich übrigens auch im Buch Taoismus aus dem Jahr 1985 von Anton Kielce wieder:
"Einmal Yin und einmal Yang ergibt das Tao." Diese einem sehr alten Buch, dem Hi ts'en, entnommene Lebensweisheit wird als die erste gelehrte Definition des Tao angesehen.
Aus reiner Neugierde habe ich mal bei Gábor Karátson nachgeschaut, wie er den sechsten Vers aus dem Chinesischen ins Ungarische übersetzt hat.
Zur Erinnerung, den 6. Vers des TTK übersetzt Richard Wilhelm wie folgt:
Der Geist des Tals stirbt nicht, das heißt das dunkle Weib. Das Tor des dunklen Weibs, das heißt die Wurzel von Himmel und Erde. Ununterbrochen wie beharrend wirkt es ohne Mühe.
Karátson übersetzt aus dem Chinesischen ins Ungarische wie folgt:
a Völgy Szelleme nem hal meg mondhatjuk rá a Misztikus Mama a Misztikus Mama kapuja Ég és Föld gyökere maga selyem selyem mintha volna vele élni könnyü volna
Wenn ich das nun ins Deutsche übersetze, sieht es so aus:
Der Geist des Tals stirbt nicht wir können sie die Mystische Mutter nennen Das Tor der Mystischen Mutter ist selbst die Wurzel von Himmel und Erde Als wäre sie seidige Seide mit ihr zu leben wäre einfach
Also auch hier wieder die Betonung des Weiblichen.
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Wie einflussreich das Buch der Wandlungen ist, sehen wir auch daran, dass sich sogar im Hagakure eine Abhandlung über das I Ging findet.
Es ist ein Irrtum zu glauben, dass der Kern im "Buch der Wandlungen", "I-ching", die Divination ist, aber das ist nicht der Kern. Das Zeichen "I" wird im Japanischen als Wandlung gelesen. Die Divination kann, obgleich für das Glück ausgeführt, Unglück bringen, wenn man etwas Schlechtes tut. Und Unglück kann zum Glück werden, wenn man Gutes tut. Die Aussage des Konfuzius, dass er keine grossen Fehler begangen hätte, wenn er den Wandel über Jahre hinweg studiert hätte, heisst nicht, dass er das I-ching studiert hätte. Wer die Essenz des Wandels studiert und über Jahre den Weg des Guten beschritten hat, kann keine Fehler begehen, so die Aussage eines gewissen Mannes.
Dies mag auf den ersten Blick überraschen, doch lässt sich das I Ging sehr gut mit der Philosophie der Samurai in Einklang bringen.
Andererseits heisst es schon im I Ging: "Einmal Yin, einmal Yang, das ist das Dao."
Habe mich über dieses Zitat ein bisschen gewundert, da es meiner Meinung nach etwas Verwirrung stiftet.
Ich nehme an, Dein Zitat betrifft das Kapitel V. im Da Dschuan, der grossen Abhandlung.
Aus meiner Sicht ist die Übersetzung dieser Stelle bei Richard Wilhelm etwas verständlicher:
Was einmal das Dunkle und einmal das Lichte hervortreten lässt, das ist der SINN.
Hier sehen wir, dass das Dao eine tiefere Schicht als Yin und Yang darstellt. Es hat die beiden Prinzipien hervorgebracht, ist aber - in der Logik des I Ging - selbst weder weiblich noch männlich, nicht dunkel oder hell.
Ich habe weiter oben darum geschrieben, dass das etwas verwirrend ist, weil sich auf diese Weise das I Ging nicht so einfach mit dem TTK zusammenbringen lässt:
Wenn man sagt, das Dao sei weiblich (im TTK die Mutter, das dunkle Weib etc.), macht es wenig Sinn, wenn es dann das männliche und weibliche Prinzip hervorbringt. Vielleicht kommen Begrifflichkeiten hier schlichtweg an ihre Grenzen. Obschon die Mutter an sich weiblich ist, ist sie doch nicht mit dem Yin gleichzusetzen.
Richard Wilhelm schreibt in einem Kommentar zum Da Dschuan, dass der SINN ein Spannungsfeld zwischen Yin und Yang bewirkt, aber dabei nicht in Erscheinung tritt.
Wenn wir den Daoismus als Schule bzw. Organisation betrachten, würde ich nicht sagen, dass er besonders weiblich wäre - erst recht nicht feministisch im heutigen Sinne. Wenn man die taoistischen Klassiker liest, ist dort kaum über Frauen bzw. weibliche Figuren die Rede. Frauen spielen so gut wie keine Rolle. Spontan fällt mir nur "Die beiden Weiber" aus dem Liä Dsi ein.
Das Dao selbst hingegen scheint in der Tat weiblich zu sein. Davon handeln mehrere Stellen im TTK.
So zum Beispiel das dunkle Weib:
Der Geist des Tals stirbt nicht, das heißt das dunkle Weib. Das Tor des dunklen Weibs, das heißt die Wurzel von Himmel und Erde. Ununterbrochen wie beharrend wirkt es ohne Mühe.
oder im 20. Vers:
Ich allein bin anders als die Menschen: Doch ich halte es wert, Nahrung zu suchen bei der Mutter.